Yunus Emre und Beylik-Fürstentümer in Karaman


Karaman spielte vor allem zur Zeit der so genannten Beylik-Fürstentümer eine bedeutende Rolle, die von Turkmenen im 13. Jahrhunderts überall in Anatolien gegründet wurden.

Yunus Emre, Aktekke Moschee und Beylik-Fürstentümer in Karaman

Ende Mai 2004 bin ich unterwegs zur etwa hundert Kilometer von Konya entfernt gelegenen Stadt Karaman. Entlang der Strecke erheben sich Ausläufer des mächtigen Taurusgebirge. Als ich um die Mittagszeit Karaman erreiche, fällt mir die höhergelegene Burgruine vor der Altstadt auf. Viele Studenten leben und studieren in der Stadt mit rund 100000 Einwohneren, die ein Zentrum der Biskuitherstellung ist. Ich miete mich zunächst für eine Nacht im Nas-Hotel ein. Beim anschliessenden Rundgang durch die beschauliche Innenstadt von Karaman schlendere ich durch die Gassen des Basars, vorbei an Geschäften und Lokalen zu einem kleinen Park.

Nicht weit davon steht die Yunus-Emre-Moschee mit dem Mausoleum des bekannten Sufi-Poeten, der von 1240 bis 1320 lebte. Anders als Mevlana Celaleddin Rumi, der seine Verse in persisch schrieb und dessen mystische Gedanken manchmal für die einfachen Leute etwas schwer verständlich waren, schrieb Yunus Emre seine Verse in türkischer Sprache.

Er soll mit Emigranten aus Khorrasan gekommen sein und seine Sprache soll ein turkmenischer Dialekt gewesen sein, der teils heute noch ähnlich in der Region Karaman gesprochen wird. Doch Yunus Emre soll auch fließend persisch und arabisch gesprochen haben. Es ist nicht ganz klar, welche Verse genau Yunus Emre zugeordnet werden können, denn später könnten die teils in Liedform von Derwischen in der Tekke gesungenen Verse mit in das Werk Yunus Emres aufgenommen worden sein.

Auch erheben andere Orte in der Türkei den Anspruch, der Dichter sei bei ihnen begraben. Wie auch immer, ohne Zweifel ist, dass Yunus Emre bis heute in der Türkei kulturell eine große Rolle spielt, jeder kennt den Namen des Dichters und viele können gar ein paar Zeilen aus seinem Werk zitieren. Dies mag auch daran liegen, dass der Poet das anatolische Hochland mit seinen endlosen Weiten und einsamen Wegen sowie der faszinierenden Natur zum Mittelpunkt seiner Dichtung machte und das alltägliche Leben der Menschen und Tiere zur Metapher für Sehnsucht, Freude und Schmerz wurde.

Yunus Emre, für den die Verrichtung der fünf täglichen Pflichtgebete ebenso wichtig gewesen sein soll wie das meditative Dhikr, für das zumindest einige seiner Verse konzipiert waren, schrieb über das Paradies: “Im Paradies fliesen alle Flüsse mit dem Ruf Allahs, dort singt auch jede Nachtigall: Allah, Allah. Des Tuba-Baumes Zweige sind dicht wie eine Zunge, die Koranverse spricht. Des Paradieses Rosen duften nur: Allah, Allah”.

Zentral gelegen ist die Aktekke-Moschee mit dem Mausoleum von Mevlanas Mutter im Zentrum der Altstadt. Neben dem Gebetsraum befinden sich zahlreiche mit grünem Samt und Koransprüchen überzogene Sargophage diverser Familienmitglieder, in der Ecke steht eine Art verzierter Schrein mit grünem Glas und feinen Gittern, durch die man den Sargophag Mümine Hatuns sehen kann. Als ich die Moschee betrete, sitzen vor dem Schrein zwei Frauen, die Bittgebete sprechen, während im offenen, angrenzenden Gebetsraum zwei Männer und ein Junge ihre Gebete verrichten.

Auch heute ist der Geist der Derwische aus Karaman nicht ganz verschwunden. In einem kleinen Teegarten nahe der Aktekke-Moschee lerne ich beim Gespräch mit einigen Studenten der örtlichen Universität einen Mann kennen, der mir zumindest als Derwisch vorgestellt wird.

Der herzlich wirkende Zeitgenosse trägt weite Kleidung und eine Mütze, die ein wenig an kaukasische Kopfbedeckungen erinnert. Er habe sich ganz auf die mystische Suche begeben, erzählt er und tatsächlich wirkt er zwischen den modern gekleideten Studenten, die die ganze Zeit an ihren Mobiltelefonen herumspielen, wie aus einer anderen Zeit. Die jungen Leute bringen ihm großen Respekt entgegen und sprechen mit Hochachtung über den mystischen Islam.

Hinter der Hatuniye-Medrese zeigt das örtliche Museum Ausstellungsstücke aus verschiedenen Epochen der Region von der Jungsteinzeit über die Byzantiner, Seldschuken bis zu den Osmanen. Karaman spielte vor allem zur Zeit der so genannten Beylik-Fürstentümer eine bedeutende Rolle, die von Turkmenen im 13. Jahrhunderts überall in Anatolien gegründet wurden. Die Periode der Karamanoğulları Beyliği dauerte von 1228 bis 1476, als der türkische Seldschuken-Staat aufgrund der expandierenden Mongolen unter Druck geraten war.

Die Karamanoğulları nahmen nicht nur Einfluß auf die Thronfolge der seldschukischen Prinzen, sondern bekämpften in der Region Karaman und Konya den Einfluß der Mongolen. Ein Köhler türkischer Herkunft, der als Wegelagerer Kampferfahrung gemacht hatte und später zum Emir (Beğ) erhoben wurde, soll der Namensgeber Karamans gewesen sein.

Sein Enkel, nach dem Großvater Karamani Mehmet Bey genannt, führte den Aufstand gegen die Mongolen im Jahre 1277. Der eigentliche Grund soll zunächst nicht der Drang nach Unabhängigkeit gewesen sein, sondern vielmehr wollte man sich der Steuern entledigen, die an den seldschukischen Sultan, damals ein Vasall der Mongolen, zu zahlen waren.

Karamani Mehmet Beğ konnte den Sieg davon tragen, wurde aber nicht selbst seldschukischer Sultan, sondern machte einen Seldschukenprinzen zu seinem Vasallen. Die persische Amtssprache wurde durch das Türkische ersetzt. Mit dem Tode des letzten Seldschuken-Sultans Kılınçarslan V. im Jahr 1318 fiel der seldschukische Staat endgültig zusammen. Die Karaman-Fürstentümer konnten sich noch bis ins 15. Jahrhundert halten, bis die Osmanen auch in Karaman die Macht übernahmen.

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